Mut und Entschlossenheit für eine Einkaufsstadt Leichlingen

IMG_0482_fpVon Lothar Esser

Fünf lange Jahre diskutiert Leichlingen mittlerweile über die Gestaltung der Innenstadt. Sollte man daher meinen, man sei kurz vor dem Ziel, so muss man das klar verneinen – man steht immer noch am Anfang. Viele Vorschläge und Entwürfe wurden entwickelt, geändert und wieder verworfen. Immer noch weiß man nicht, was richtig für Leichlingen ist, große Bebauung, kleine Bebauung, viel Einzelhandel  oder eher weniger, Rathaus mit einbeziehen oder außen vor lassen. Viele Fragen, nur wenige bis keine Antworten, keine Spur von einer Vision.

Das seit April 2012 installierte Planungsteam ist mit dem Anspruch angetreten, das Innenstadtprojekt doch noch zu realisieren. Aber immer noch gibt es keine Klarheit und somit auch keine Einigkeit, wie das Zentrum einmal aussehen soll und welche Ziele mit dem Projekt nun verbunden sind. Das Planungsteam hat der Öffentlichkeit in der letzten BUS – Sitzung einen Plan mit 10 Eckpunkten vorgestellt, die für die Innenstadtentwicklung von Bedeutung sind. Unter anderem spielen die Öffnung zur Wupper, eine attraktive Architektur und die Belebung des Einzelhandels eine wichtige Rolle in den Augen des Planungsteams. In der entscheidenden Frage aber, wie groß das Einkaufszentrum denn nun werden soll, bleibt man weiter schwammig und unklar.

Ausgangslage des Leichlinger Einzelhandels

Das Statistische Bundesamt hat ein Rekordwachstum von 3 % für den deutschen Einzelhandel im Jahre 2011 vermeldet. Die GfK Geo Marketing vermeldet sieht auch für die kommenden Jahre eine positive Entwicklung. Von dieser positiven Entwicklung ist jedoch in Leichlingen nichts zu spüren. In vielen Gutachten und Stellungnahmen, die in den letzten Jahren die Entwicklung des Einzelhandels in Leichlingen betrachtet und beurteilt haben, wird dringender Handlungsbedarf zur Belebung angemahnt. Seit Jahren schrumpft die Kaufkraftbindung, derzeit beträgt sie nur noch ca. 46 % der Gesamt Kaufkraft von ca. 171 Millionen €[1]. Als Folge der sinkenden Kaufkraftbindung haben in der Vergangenheit viele Einzelhändler ihre Geschäfte in Leichlingen geschlossen. Wenn die Abwärtsspirale nicht gestoppt werden kann, werden weitere Einzelhändler aufgeben und ihre Geschäfte schließen. Vor wenigen Jahren wurden in Leichlingen noch vier Drogeriemärkte betrieben. Übrig geblieben ist nur noch einer. Die Insolvenz der Schlecker Drogeriemarktkette hat schonungslos offenbart, wie schlecht es um den Einzelhandel in Leichlingen bestellt ist. Selbst die Filiale „Ihr Platz“ war als zweiter Drogeriemarkt im Ort nicht rentabel genug zu führen, damit sich ein Käufer für den Weiterbetrieb der Filiale in Leichlingen interessiert hätte. Ein allerletztes Alarmsignal.

Warum kauft der Leichlinger Bürger nicht (mehr) in Leichlingen?

Die Antwort ist relativ einfach: weil er in Leichlingen nicht das bekommt, was er braucht.
Das Warenangebot des Leichlinger Einzelhandels ist zu dürftig, als dass es die Bedürfnisse eines normalen Konsumenten befriedigen könnte. Von 2004/2005 bis 2009 gab es laut Gutachten der GMA von 2010[2] einen Rückgang der Kaufkraftbindung um 3 % von 49 % auf 46 %. Diese 3% erscheinen auf den ersten Blick relativ gering. Bei näherer Betrachtung setzt sich dieser Rückgang aber wie folgt zusammen:

+ 3 % Nahrungs-und Genussmittel

–  6 % Nichtlebensmittel

Der Rückgang im Bereich der Nichtlebensmittel ist bezeichnend für den Leichlinger Einzelhandel und setzt sich gegenwärtig fort (Schließung weiterer Drogeriemärkte, Fahrradfachgeschäft Bergisches Land etc.). Durch den Bau des Vollsortimenters an der Trompete wird zwar die Kaufkraftbindung im Bereich Nahrungs-und Genussmittel wieder etwas erhöht, eine Stärkung im Bereich der Nichtlebensmittel findet jedoch dadurch nicht statt.

Großer Flächenbedarf im Bereich der Nichtlebensmittel

Im Ergänzungsgutachten Verkaufsflächenprognose der GMA[3] aus dem Jahre 2011 wird deutlich aufgezeigt, wo die Defizite im Leichlinger Einzelhandel liegen. Sie liegen weniger im Bereich Nahrungs- und Genussmittel, vielmehr liegen die Defizite in den Bereichen Bekleidung, Schuhe und Sport, Elektrowaren, Medien und Foto, Hausrat, Einrichtung und Möbel sowie Gesundheit und Körperpflege. Diese unterentwickelten Bereiche müssen durch zusätzliche Handelsfläche weiterentwickelt werden. Um eine Zielkaufkraftbindung von zum Beispiel (nur) 62 % erreichen zu können, wird eine zusätzliche Handelsfläche von knapp 12.000 m² erforderlich (ohne Nahrungs- und Genussmittel sind es ca. 10.000 m²). Das ist ein Flächenbedarf, der in der gegenwärtigen Handelsflächenstruktur von Leichlingen nicht darstellbar ist.

„Leichlingen ist eine Stadtgalerie“ – aber leider ohne Aussteller und Bilder

In den letzten Tagen liest man in einem Flyer des Vereins „Rettet den Stadtpark in Leichlingen e.V.“:

„Leichlingen braucht keine Stadtgalerie, Leichlingen ist eine Stadtgalerie.“

Die Aussage mag zwar richtig sein, aber leider hat die Stadtgalerie viel zu wenig Aussteller, und das ist die traurige Wahrheit. Weiter heißt es in dem Flyer, der Bau eines riesigen Einkaufszentrums sei der falsche Weg, der Kleinstadtcharakter Leichlingens müsse unbedingt beibehalten werden. Um Kaufkraft in Leichlingen zu halten, solle man sich auf seine Stärken besinnen.

Hehre Worte, doch was sind zum Beispiel die Stärken? Sind das vielleicht die erwähnten inhabergeführten und serviceorientierten Betriebe, oder sind das noch mehr Bauernhofeinkäufe? Wenn man solche Ausführungen und Vorschläge liest, hat man fast den Eindruck, als wolle man sich in eine Zeit einer Einkaufswelt zurückversetzen, die es schon lange nicht mehr gibt. Nur mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Die Anzahl inhabergeführter Betrieb ist seit Jahren rückläufig, weil sie einfach gegenüber den Filialbetrieben nicht oder nur selten wettbewerbsfähig sind. Serviceorientierte Betriebe haben meist die Eigenart, auch teurer zu sein als der Durchschnitt. Auch sind sie häufig von individuellen Gegebenheiten und Personen abhängig. Sie funktionieren eingebettet in einer Angebots- und Preisorientierten Verkaufslandschaft und besetzen mit ihrer Individualität und ihrem speziellen Angebot die Nischen. Darin können sie auch dauerhaft mit ihrem höheren Preisniveau existieren. Ändert sich aber ihre Individualität, sind sie mit ihrem Angebot nicht mehr wettbewerbsfähig und verschwinden über kurz oder lang wieder vom Markt. Wenn Nischenbetriebe aber die Hauptachse einer Einzelhandelslandschaft bilden sollen, dann ist das verkehrte Welt und nicht überlebensfähig.

Vielfalt des Angebotes und Preis

Der Preis ist immer noch das bestimmende Element. Und die Wahrheit ist, dass die meisten Bürger Leichlingens eben nicht über das Einkommen verfügen, bei dem es ihnen egal sein könnte, wie hoch der Preis ist. Der Kunde von heute stellt zudem hohe Ansprüche an die Verkaufswelt, ein liebenswertes Ambiente alleine reicht da nicht aus. Er will etwas (an)geboten bekommen, er sucht das bequeme Einkaufen, sozusagen ein “One Stop Shopping” – einmal mit dem Auto halten, alles einkaufen, einladen und wieder nach Hause, und das möglichst trockenen und warmen Fußes. Dort, wo er seinen Einkauf tätigt, will er auch sicher sein, dass er das findet, was er benötigt. Kaum jemand hat Zeit und Freude daran, an verschiedene Einkaufsorte zu fahren.

Mittel- bis tiefpreisiges Warenangebot erforderlich

Neben der Vielfalt des Angebotes spielt wie bereits erwähnt der Preis eine entscheidende Rolle. Es gibt Aussagen und Meinungen in Leichlingen, die sich vehement gegen Billigangebote und Billigläden wenden. Aber auch hier darf man sich nicht alleine dem Wunschdenken hingeben und die Augen vor der Realität verschließen. Leichlingen hat zwar eine überdurchschnittliche hohe Kaufkraft pro Bewohner, daraus aber zu schließen, man könne die Gucci und Prada und Chanel Artikel hier anbieten und verkaufen, ist natürlich weit gefehlt. Der „hochbetuchte“ Leichlinger Einwohner wird kaum vor Ort einkaufen, sondern sein Angebot an prominenteren Orten wie der Kö oder der Frankfurter Zeil suchen. Will man aber die Bedürfnisse für den überwiegenden Teil der Leichlinger Bevölkerung abdecken, muss man Waren aus dem mittel- bis tiefpreisigen Segment anbieten. Und das ist auch die Wirklichkeit, ob einem das gefällt oder nicht.

FAZIT: LEICHLINGEN BRAUCHT EIN EINKAUFSZENTRUM mit ansprechender Größe

Leichlingen braucht jetzt ein Einkaufszentrum in einer Größenordnung von mindestens 8.000 bis 12.000 qm, will es ernsthaft Kaufkraft halten und zurückgewinnen. Nur ein umfassendes Warenangebot kann den einheimischen Bewohner dazu bringen, seine Einkäufe wieder auf Dauer in Leichlingen zu tätigen. Wer aber glaubt, der Neubau eines Gebäudes mit einem Vollsortimenter flankiert mit ein paar Ergänzungsläden reiche aus, wird eine Trendwende in Leichlingen nicht erreichen. Nur eine von vorneherein ausreichend bemessene Angebotsvielfalt kann auf Dauer die Kundenströme wieder in den eigenen Einzelhandel lenken.

Der Bau eines Einkaufszentrums muss auch als Beginn einer Restrukturierung und Weiterentwicklung des Einzelhandels in Leichlingen betrachtet werden, um mittelfristig eine Kaufkraftbindung von ca. 75 % zu erlangen. Eine Erhöhung der Kaufkraftbindung fördert das innerstädtische Leben und stärkt Leichlingen als familienfreundliches Wohnzentrum. Die Herausforderung für Planer und Architekt ist, das Einkaufszentrum in seiner Größe so zu gestalten, dass es funktional den Anforderungen und Annehmlichkeiten eines modernen Einkaufszentrums entspricht, städtebaulich sich aber an dem Kleinstadtcharakter Leichlingens ausrichtet und anpasst.

Wer Leichlingen mit seiner jetzigen Einzelhandelsstruktur erhalten will, muss wissen, dass der Einzelhandel noch weiter zurückgehen und bei den Warengruppen im mittel- und langfristigen Bedarf auf Dauer nicht überlebensfähig sein wird. Dann kann man in einem Städtchen wie Leichlingen zwar schön spazieren gehen, aber den Einkauf erledigt man woanders.

Politik und Verwaltung sind deshalb gefordert, Mut und Entschlossenheit zu zeigen. Die Entscheidung für oder gegen eine Einkaufsstadt Leichlingen ist längst überfällig.

 

 

[1] Quelle: Gesellschaft für Markt-und Absatzforschung mbH, Gutachten zur Fortschreibung des kommunalen Einzelhandelskonzeptes der Stadt Leichlingen, Februar 2010, Seite 24

[2] Quelle: GMA Gutachten a.a.O., Seite 24

[3] Quelle:  Gesellschaft für Markt-und Absatzforschung mbH, Verkaufsflächenprognose für den Einzelhandel der Stadt Leichlingen, September  2011, Seite 17

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