Wie wettbewerbsfähig ist der Einzelhandel im Leichlinger Zentrum?

Von Lothar Esser

Rückläufige Passantenfrequenzen in der Innenstadt, leerstehende Ladenlokale sowie Modernisierungsrückstände im Immobilienbereich und im öffentlichen Raum sind die häufigsten Probleme in zentralen Geschäftslagen, so auch in Leichlingen. Als Motoren dieser Entwicklung werden dabei der anhaltende Strukturwandel im Einzelhandel, Dezentralisierung, demografischer Wandel und der Online-Handel genannt. Die Frage nach dem Umgang mit diesen Entwicklungen und wie man wieder zu einer langfristigen Stärkung der zentralen Geschäftslagen kommen kann, ist jedoch in Leichlingen wie vielerorts weiterhin offen

Die logische erste Frage auch für den Einzelhändler in Leichlingen muss demnach lauten:

  • Warum kaufen nur (noch) wenige in Leichlingen ein?
  • Warum ziehen die Kunden den Einkauf in den umliegenden Einkaufszentren vor?
  • Was genau treibt sie dorthin?
  • Warum kaufen meine Kunden offline oder online?

Ausgangslage

Der Leichlinger Einzelhandel ist seit Jahren rückläufig. Immer größere Leerstände und mangelndes Warenangebot zeugen von einer bedrohlichen Entwicklung. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Leichlingen beträgt laut Gutachten der GMA vom September 2011 etwas über 170 Mio. Euro. Nur noch ca. 46% davon verbleiben in der Stadt, das ist weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Kommunen. Der Neubau des Kaufparks soll unter anderem auch eine Stärkung des Einzelhandels bewirken, so die Idee. Gegenwärtig liegt wieder neuer Investorenentwurf für ein neues Einkaufszentrum auf der Ostseite der Wupper rund um den neuen Stadtpark vor. Die Diskussionen darüber sind in vollem Gange.

  • Doch was wird aus dem Einzelhandel auf der Westseite der Wupper, dem Brückerfeld, der Brückenstraße?
  • Welche Auswirkungen hat ein neues Einkaufszentrum mit welcher Größenordnung auf dieses Gebiet und den dort bestehenden Einzelhandel?
  • Wird eine hohe Kundenfrequenz in einem neuen Einkaufszentrum auch den Einzelhandel jenseits der Wupper beflügeln oder noch weiter ausdünnen?

Bestandsanalyse

Um diese Fragen beantworten zu können, muss man erst einmal die Frage beantworten, welche grundsätzlichen Anforderungen der heutige Verbraucher an den Handel stellt. Die CIMA, Beratung und Management GmbH, die sich auf die Zukunft von Stadt und Land spezialisiert hat und sich Kompetenzzentrum für Stadtentwicklung nennt, hat folgende Charakteristika des Verbraucherverhaltens herausgestellt: [1]

  1. Alle Waren des täglichen Bedarfs muss man in einem Geschäft kaufen können (One-Stop-Shopping).
  2. Der Einkauf muss bequem und angenehm möglich sein (Convenience-Orientierung).
  3. Eine Auswahl aus einem großen Angebot soll vorhanden sein (breites Angebot).
  4. Die Geschäfte müssen gut erreichbar sein (fußläufige und/oder PKW-Erreichbarkeit).
  5. Einkaufen muss zur gewünschten Zeit möglich sein (Öffnungszeiten).
  6. Einkaufen muss in ansprechender Atmosphäre möglich sein.
  7. Das Angebot muss qualitativ ansprechend, aber auch preisgünstig sein.
  8. Es muss eine Auswahl unterschiedlicher, aber auch gleichartiger Geschäfte vorhanden sein (Betriebsformenvielfalt, Wettbewerb, Auswahlmöglichkeiten).

Es ist sicherlich unstrittig, dass der Einkaufsstandort Leichlingen im Vergleich zu den umliegenden Standorten Langenfeld, Solingen und Leverkusen weit hinterherhinkt. Setzt man die o.g. Anforderungen als Maßstab und vergleicht sie mit der Einzelhandelssituation in der Innenstadt Leichlingens kann man leicht erkennen, warum die vorhandene Kaufkraft nur noch zu 46 % in Leichlingen verbleibt. Nur vielleicht 3 von 8 Punkten können erfüllt werden, viel zu wenig, um den heutigen Ansprüchen der Verbraucher zu genügen und somit Kunden anzulocken und zu binden. Dem Leichlinger Einzelhandel mangelt es eindeutig an einem breiten Warenangebot und eindeutig an Komfortmerkmalen. Für eine breite Käuferschicht ist der Einkauf in einem Einkaufzentrum weitaus attraktiver und komfortabler (ausreichendes Parkangebot, Wetterunabhängigkeit, Aufenthaltszonen, Gastronomie etc.) als der Besuch der Innenstadt Leichlingens. Das sind die unübersehbaren Fakten, alle anderen Darstellungen sind eher Schönrederei.

Geringe Aufenthaltsqualität, wenig Warenangebot – warum also sollen die Leute in Leichlingen verweilen und dort einkaufen?

Der Einzelhandelsstandort Leichlingen kann mit den umliegenden Einkaufszentren nur wenig bzw. eigentlich gar nicht mithalten. Zwar verfügt man über das Juwel Wupper, doch die Integration der Wupper zu einem Stadtbildprägenden Merkmal befindet sich eher noch im Anfangsstadium. Und auch ein nettes, innerstädtisches Ambiente täuscht nur wenig über das wenig attraktive (Waren-)Angebot und den insgesamt gesehen wenig bis gar keinen Aufenthalts- und Einkaufskomfort hinweg.

Familien, ältere und bewegungseingeschränkte Menschen sind in besonderem Maße vom mangelnden Komfort der Innenstadt Leichlingens betroffen. Kinderfreundlichkeit wird durch den im gesamten Einkaufsgebiet fließenden Autoverkehr verhindert. Mit Ausnahme des Brückerfeld – Zentrums müssen Kinder strikt an der Hand geführt werden, weil sie sonst Gefahr laufen, von einem Auto erfasst zu werden. Auch für viele ältere Menschen stellt der Autoverkehr eine große Gefahr dar, weil sie altersbedingt häufig ein vermindertes Seh- und Hörvermögen haben und somit herannahende Autos erst sehr spät bemerken, manchmal auch zu spät.

Hinzu kommt die nur wenig barrierefreie Leichlinger Einkaufswelt, und das nicht nur aus dem Blickwinkel von Rollstuhl- und Rollatornutzern betrachtet. Vor allem Besucher mit Kinderwagen und ältere Menschen, die gerne einen Trolley hinter sich herziehen, in denen sie ihre Einkäufe verstauen, schätzen eine barrierefreie Einkaufswelt. Zum Beispiel der Abschnitt Brückenstraße von Querspange bis zur Uferstraße: wie viele Läden sind wirklich barrierefrei zu erreichen? Sind es ein oder zwei Geschäfte? Viel zu wenig für eine attraktive Einkaufslandschaft. Wer lässt schon gerne den Kinderwagen unbeaufsichtigt vor der Türe stehen oder schleppt mühsam den Trolley mit den Einkäufen die Stufen hoch? Rollator- oder Rollstuhlnutzer sind komplett außen vor, da sie ohne Hilfe keine Chance haben, in die Geschäfte zu gelangen.

Auch sind die Wege zur einzigen öffentlichen Toilette im Brückerfeld teilweise viel zu weit. Mütter mit Babys und ältere Menschen, die nun mal häufiger eine Toilette benötigen, schätzen schon alleine deshalb die Ruhezonen in Einkaufszentren und die Gewissheit, im Bedarfsfall eine öffentliche Toilette in unmittelbarer Nähe zu finden.

Möglichkeiten / Maßnahmen für Leichlingen

  • Das Einkaufen muss komfortabler für die Kunden gestaltet werden
  • Das (Waren-)Angebot muss breiter und größer werden
  • Barrieren müssen abgebaut werden, zusätzliche öffentliche Toiletten werden benötigt
  • Mehr autofreie Zonen, mehr Vorrang für Fußgänger und Besucher der Innenstadt, ein Verkehrsentwicklungsplan ist hier besonders wichtig und notwendig
  • Mehr Ruhe- und Verweilzonen durch Straßengastronomie und Bänken
  • Freies W-LAN in den Einkaufszonen
  • Geschäfte müssen sich als Ergänzung und nicht als Konkurrenten zu einem Einkaufszentrum sehen
  • Potenziale müssen ausgeschöpft werden (Aufwertung Brückerfeld, Gartenstraße / Kirchstraße)

Im Vergleich zu den umliegenden Zentren mangelt es eindeutig an autofreien Zonen. Den Besuchern / Fußgängern muss viel mehr Bedeutung und Vorrang eingeräumt werden. Der Fußgängerüberweg Brückerfeld zur Brückenstraße muss Fußgänger freundlicher gestaltet werden. Der Fußgänger muss absoluten Vorrang (ohne Signalanlage) bekommen, die Fahrbahn ist entsprechend zu gestalten bzw. zu markieren. Eine Entlastung der Innenstadt vom Durchgangsverkehr ist dringend geboten. Der geplante Verkehrsentwicklungsplan muss sich auch diesem Problembereich widmen und Lösungen bringen.

Die Brückenstraße von Querspange bis Uferstraße könnte zum Beispiel ohne großen Aufwand vom Autoverkehr befreit werden (Ausnahmeregelung Anlieger). Der gewonnene Raum könnte von der Geschäftswelt zur besseren Warenpräsentation, für mehr Außengastronomie, aber auch für bauliche Maßnahmen zur besseren, barrierefreien Zugänglichkeit genutzt werden. Eine teilweise Überdachung würde die Aufenthaltsqualität dann noch einmal mehr verbessern und den Besuch wetterunabhängiger machen.

Das Brückerfeld braucht eine grundsätzliche Neugestaltung und neue Nutzungsideen. Die Idee der Markthalle muss noch einmal neu aufgegriffen werden, dieses Mal allerdings im Einklang mit einem neuen Einkaufszentrum.

Dem Einkaufsbereich Gartenstraße / Kirchstraße mangelt es eindeutig an Attraktivität und Kundenfrequenz. Die Leerstände vermehren sich, der Bereich verkümmert mehr oder weniger zu einer Randlage der Innenstadt. Ein Einbeziehen dieses Einkaufsbezirkes in den Fluss – übergreifenden Rundlauf, den Professor Fritschi als das Rückgrat der Verflechtung für den Einzelhandel bezeichnet, und eine damit verbundene Aufwertung ist dringend erforderlich. So könnte der von einigen Fraktionen ins Gespräch gebrachte Bau eines größeren Geschäftshauses an Stelle des alten Sparkassengebäudes entlang der Kirchstraße mit modernen Einzelhandelsflächen und Wohnen in den oberen Geschoßebenen, vielleicht sogar im Verbund mit einem Fast Food Spezialisten, zu einer Attraktivierung und Belebung der dortigen Geschäftswelt beitragen.
Privatwirtschaftliche Stadtentwicklung durch Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG)

Die Leichlinger Geschäftswelt im Verbund mit Verwaltung und örtlichen Organisationen sind also dringend gefordert, die Attraktivität des Einkaufsstandortes Leichlingen zu verbessern und zu erhöhen. Dafür bedarf es aber zwingend privatwirtschaftlicher Initiative. Hilfreich dazu könnte die Bildung / Gründung einer Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) oder auch Business Improvement District (BID) genannt als Möglichkeit sein, diese Probleme gemeinschaftlich anzugehen, sie zu beseitigen und für eine nachhaltige Verbesserung und Stärkung des Einzelhandels in der Leichlinger Innenstadt zu sorgen. Das Land NRW hat seit Juni 2008 die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese privatwirtschaftliche Initiative der Stadtentwicklung geschaffen. Öffentliche Förderungen (z.B. Verfügungsfonds) helfen zur Finanzierung der Maßnahmen zur Entwicklung von Stadtbezirken[2].

Professor Fritschi hat in seinem Handbuch Stadtentwicklungskonzept Kernstadt Leichlingen vom August 2009 auf seinen Einführungsseiten 4 bis 6 viele dieser Probleme und Problemzonen aufgeführt und Lösungsvorschläge dargelegt. Das Rad muss also nicht mehr neu erfunden werden, die in dem Handbuch dargebotenen Lösungsmöglichkeiten müssen vielleicht nur noch einmal aufgefrischt werden. Die Entwicklung der Innenstadt muss ganzheitlich und nachhaltig, aber auch gemeinschaftlich geschehen soll sie erfolgreich für die Bevölkerung und den Einzelhandel werden. Ohne Privatinitiative und ohne Engagement wird sie nicht funktionieren.

[1] Quelle: Görlitz: Einzelhandels- und Zentrenkonzept, 2012, CIMA Beratung und Management GmbH, München, Köln

[2] Eine Übersicht der IHK mit Informationen und Rechtsgrundlagen von BID’s herunterladen unter: http://www.fdp-leichlingen.de/media/IHK_BID_Aktivitaeten.pdf

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